Wald, Wild und Jagd

Grußwort zum Landesjägertag 2004 in Paaren/Glien am 8.5.2004

von Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben

Stellvertretener Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Brandenburg


Anrede

Ich bedanke mich für die Einladung zu diesem Landesjägertag. Ich bin Jäger und als solcher Mitglied des Landesjagdverbandes im Kreisverband Fürstenwalde und zugleich – zusammen mit meinem Sohn - praktizierender Land- und Forstwirt. Bis zum vorigen Jahr habe ich noch Agrarökonomie an der Universität Kiel gelehrt. Ich spreche zu Ihnen als stellv. Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Brandenburg.

Wir Waldbesitzer sind wie die Jäger und sieben weiteren Verbände Mitglied der „Pro-Land“-Initiative, einer bundesweiten Bewegung mit etwa sechs Millionen Mitgliedern, die sich vor allem für eine Stärkung des ländlichen Raumes einsetzt und kritisiert, dass die Politik Auflagen und Bürokratie erhöht und nicht auf die freie Mitwirkung der Menschen im ländlichen Raum setzt.

Der Präsident des Landesjagdverbandes Sachsen Dr. Giese hat in der letzten Ausgabe des Mitteilungsblattes sehr schön auf die Bedeutung dieses Zusammenschlusses hingewiesen. Er schrieb: Das Wissen um die Einigkeit im Denken und Handeln mit den Land- und Waldeigentümern und anderen Naturschützern und –nutzern stimmt uns optimistisch. Er schrieb dies mit Blick auf die bevorstehende Auseinandersetzung um die Eckpunktepapiere aus dem Künast-Ministerium. Ich kann Ihnen versichern, dass wir an dieser Front mit Ihnen am gleichen Strang ziehen oder ziehen sollten.

Auch auf der Landesebene sollten wir mehr am gleichen Strange ziehen. Wir haben dies im letzten Jahr getan in der Diskussion um die Jagdsteuer. Sie soll - wie das OVG Frankfurt/Oder festgestellt hat – eine besondere Konsumfähigkeit der Steuerpflichtigen besteuern. Dies ist grotesk. Ich wüsste nicht, dass das Gericht oder der Gesetzgeber jemals untersucht hätte, ob Jäger in Brandenburg konsumfähiger als andere Bürger sind. Selbst wenn es so wäre, wäre dies kein Grund für eine Sondersteuer, da die konsumfähigeren d.h. leistungsfähigeren Bürger infolge der Steuerprogression ohnehin mehr Steuern als die weniger Leistungsfähigen zahlen müssen. Aus der Sicht der Forstwirtschaft ist die Besteuerung der Jagd besonders grotesk. Im Forstbetrieb ist der Aufwand für die Jagd ein betriebsnotwendiger Aufwand. Ohne Jagd ist ein wirtschaftlicher Forstbetrieb nicht möglich. Deshalb gehört die Jagd im Landeswald auch zur Dienstaufgabe des Försters. Die neue Bewirtschaftungskonzeption der Landesforstverwaltung spricht von einer innigen Wechselbeziehung zwischen Jagd und waldbaulichen Handeln. Wir haben deshalb die Jagdsteuer als willkürlich, ungerecht und anachronistisch kritisiert. Sie wurde offenbar von Politikern beschlossen, die weder vom Wald noch von der Jagd etwas verstehen. Wir haben unsere Argumente in einem ausführlichen Positionspapier zusammengestellt. Es kann bei Bedarf in unserer Geschäftsstelle abgefordert werden. Wir sind auch gerne dabei, wenn es um die nächste Prozessrunde gegen die von einzelnen Landkreisen erlassenen neuen Jagdsteuersatzungen geht.

Die von der Landesforstverwaltung konstatierte „innige Wechselbeziehung zwischen Jagd und waldbaulichen Handeln“ macht eine enge Zusammenarbeit zwischen Forstleuten und Jägern erforderlich – und zwar im zunehmenden Maße, da sich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Forstwirtschaft nach der Wende stark verändert haben, was eine ebenso starke Veränderung der Waldbaumethoden zur Folge hatte. Dies wiederum hat erheblichen Einfluss auf die Jagdmethoden.

Die traditionelle Kiefernwirtschaft in Brandenburg, die hohe Schalenwildbestände durchaus verkraften konnte, ist heute weitgehend unwirtschaftlich geworden. Ursachen sind vor allem die gesunkenen Holzpreise, die hohen Verjüngungskosten (arbeitsintensive Pflanzung von 10.000-20.000 Bäumen je ha) und Stabilitätsprobleme der Monokulturen (Schadinsekten, Waldbrände, saurer Regen). Die Agrarberichte der Bundesregierung weisen für die in Brandenburg vorherrschenden Kiefernwälder in den letzten sieben Jahren einen durchschnittlichen Reinertrag von minus 38,- Euro/ha aus. Aus dem Reinertrag ist noch das eingesetzte Kapital zu finanzieren. Die Landesregierung und die Waldbesitzer sehen deshalb einen Waldumbau von den einseitigen Kiefernforsten (>80 % des Waldes besteht aus Kiefern) in wirtschaftlich und ökologisch stabilere Mischwälder vor – soweit es die standörtlichen Verhältnisse zulassen. Die früher üblichen Kahlschläge sollen soweit wie möglich vermieden werden, die teuren Pflanzungen sollen - soweit es geht - durch Naturverjüngungen ersetzt werden. Verjüngungen müssen auch kleinräumig möglich sein, um den Waldboden und das Kleinklima des Waldes zu erhalten. Insgesamt soll der Wald der Zukunft sehr viel artenreicher und kleinräumig stärker strukturiert sein, wodurch letztlich auch die Lebensräume für das Wild verbessert werden.

Hinzu kommt, dass sich die Durchforstungsstrategien stark verändern. Statt auf maximalen Massezuwachs konzentriert man sich auf den maximalen Wertzuwachs. Das bedeutet, dass pro Flächeneinheit weniger, aber dafür stärkere und wertvollere Bäume wachsen sollen. Das wiederum hat zur Folge, dass der Waldboden stärker belichtet wird und die Kraut- und Strauchvegetation angeregt wird, die wiederum dem Wild mehr Äsung und Deckung bietet. Das Wild findet in diesen Wäldern bessere Lebensbedingungen, ist nicht mehr so sehr auf die Äsung auf den Freiflächen angewiesen und tritt deshalb seltener auf diese aus – zumal, wenn es dort wegen der bisher vorherrschenden Ansitzjagd häufig knallt.

Der notwendige Waldumbau, d.h. das Einbringen anderer Holzarten in die einseitigen Kiefernwälder, und die Anwendung der neuen Waldbaumethoden, z.B. die Naturverjüngung und die Verjüngung auf kleinen Flächen werden durch die derzeitigen Schalenwilddichten erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Man behilft sich durch Zäune. Diese kosten 1000-3000 Euro/ha – oftmals mehr als der Marktwert des ganzen Waldes. Die Kosten je ha sind umso höher, je kleiner die eingezäunten Flächen sind, so dass auch der Waldumbau, vor allem die kleinräumige Verjüngung, dadurch unwirtschaftlich wird. Zur Zeit wird der Zaunbau unter bestimmten Bedingungen durch das Land zu 80 % gefördert, d.h. aus Steuermitteln finanziert. Wie lange das noch gehen wird, ist fraglich. Man könnte auch der Auffassung sein, dass es sich bei dieser Förderung um die Finanzierung hoher Wildbestände, d.h. um eine Subventionierung der Jagd handelt, die ihrerseits wiederum als Luxuskonsum gilt und deshalb besteuert wird.

Fazit: Der aus ökonomischen und ökologischen Gründen notwendige und gesellschaftliche gewollte Umbau der Brandenburger Kiefernwälder macht eine Verminderung der Schalenwilddichten erforderlich. Diese muss in einer Übergangsphase stärker sein als langfristig, da in der Anfangsphase des Umbaus die noch relativ seltenen neuen Baumarten besonders verbiss- und fegegefährdet sind. Später, wenn wir wieder artenreichere und stärker strukturierte Wälder haben, werden die waldverträglichen Wilddichten wieder ansteigen können. Unser Ziel ist der zaunlose, artenreiche und stark strukturierte Wald, in dem eine kostengünstige Verjüngung bei waldverträglichen Wilddichten möglich ist.

Die derzeitigen Kosten der überhöhten Schalenwildbestände werden vom AID auf 25 Euro/ha/Jahr geschätzt. Hochgerechnet auf die Brandenburger Waldfläche sind das etwa 25 Millionen Euro/Jahr. Das ist ein Vielfaches der Wildschadenssumme, die im Landesjagdbericht als Wildschaden in der Landwirtschaft ausgewiesen wird. Hierbei geht es nicht nur um die aktuellen Verbiss-, Fege- und Schälschäden, sondern auch um die Kosten der Wildschadensverhütung (z.B. Zaunbau) und um die Kosten, die durch die Nicht-Anwendbarkeit kostengünstiger Waldbaumethoden entstehen. Ohne waldverträgliche Wilddichten ist es in Brandenburg nicht möglich, nachhaltig schwarze Zahlen in der Forstwirtschaft zu schreiben. Das gilt für den Privatwald und erst Recht für den Landeswald.

Ich möchte mit meinen Ausführungen um Verständnis werben für die komplexen ökonomischen und ökologischen Wechselwirkungen zwischen Waldbau und Jagd. Der Wald braucht die Jagd und die Jäger dringender denn je –und vor allem auch örtliche Jäger!

Hierbei muss die Erhöhung des Abschusses und die Verminderung der Schalenwildbestände nicht auf Kosten der jagdlichen Betätigung gehen. In unseren Revieren (zusammen 1200 ha), in der wir die beschriebenen waldbaulichen und jagdlichen Strategien konsequent verfolgen, haben pro ha Jagdfläche doppelt so viele, vor allem ortsansässige Jäger eine Jagdmöglichkeit als im Landesdurchschnitt. Und diese erlegen etwa dreimal soviel Schalenwild je ha wie im Landesdurchschnitt. Wir wissen, dass wir diese hohen Strecken nicht nachhaltig erzielen können. Wir erwarten aber, dass wir nach Abschluss der Reduktionsphase bei waldverträglichen Wilddichten immer noch mehr Schalenwild erlegen können als in der Ausgangssituation vor zehn Jahren.

Allerdings ist zu diesem Zweck auch eine Änderung der Jagdmethoden erforderlich. Da sich das Wild aufgrund des erhöhten Jagddruckes und des verbesserten Äsungsangebotes in der Jagdzeit immer mehr in den Wald zurückzieht, hat sich der Anteil des Wildes, das in unser em Revier auf den Bewegungsjagden zur Strecke kommt, beim Rehwild auf 40 % und beim Schwarzwild auf 30 % erhöht. Diese Jagden, bei denen sich die Jäger der Umgebung treffen, machen den Beteiligten viel Freude und können durchaus auf einem hohen Stand der Waidgerechtigkeit durchgeführt werden. Zugleich werden wir niemals auf die traditionelle Ansitzjagd verzichten. Es gibt nichts Schöneres als den Abend- oder Morgenansitz auf den Rehbock um diese Jahreszeit. Ich werde sicherlich heute Abend und morgen früh draußen im Revier sein und ich denke, viele von Ihnen werden das gleiche Bedürfnis haben.

Ich wünsche Ihnen hierzu viel Waidmannheil!