Hildegard v. Alvensleben, geb. v. Unger (1864-1942)
 
Hildrgard v. Alvensleben
Hildegard v. Alvensleben
Pastor Sperling über Hildegard v. Alvensleben in einem Brief an ihren Sohn Udo v. Alvensleben:

Demnitz, 18.12.1959

 

. . . . . Auch meine Gedanken sind, trotz meines langen Schweigens, oft bei Ihnen eingekehrt, und auch an Ihren Gräbern auf dem so schönen verschwiegenen Platze habe ich des öfteren gestanden und stille Zwiesprache mit Ihrer verewigten Frau Mutter gehalten, trug sie doch die ganze Gemeinde Falkenberg auf betendem Herzen und war sie mir mit ihrem starken Glauben immer eine Quelle der Kraft und des Trostes, wenn man einmal müde werden wollte; und wie treu hat sie im Kirchenkampf zu uns, den Kämpfern der Bekennenden Kirche, gestanden!

 

"Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Wer ist aber, der die Welt überwindet, wenn nicht, der da glaubt, daß Jesus Gottes Sohn ist?" (1. Joh. 5,4 und 5). Das war der Text, den sie sich erwählt hatte, unter dem wir sie zu Grabe trugen. In der Kraft dieses Wortes ist sie auch die Überwinderin ihrer ihr von Gott auferlegten Leiden geworden. Wer so stirbt, der stirbt wohl!

 

Ihr Andenken ist uns zugleich Verpflichtung und Anlaß zum Loben und Danken gegen Gott, der uns in solchen Häusern und Familien solche Zeugen des Glaubens erweckt ...

Es folgt die Trauerpredigt von Pastor Sperling am 3.12.1942

 

(Trauerpredigt von Pastor Sperling für Hildegard v. Alvensleben, geb. v. Unger. Sie starb am 27.11.1942 in Rütznow/Hinterpommern bei ihrer Tochter Oda v. d. Marwitz – der handschriftliche Text wurde 2008 im Nachlass von Pastor Sperling wiederentdeckt - Er war von 1937 bis 1967 Pastor der Gemeinden Demnitz, Steinhöfel und Falkenberg)

 

 

Trauerfeier Frau v. Alvensleben 3. 12. 1942 Falkenberg

1. Joh. 5. V. 4,5

Alles was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und
unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

Hochgeehrte liebe Leidtragende, Andächtige Trauerversammlung, Liebe Gemeinde Falkenberg!

Pastor Sperling Nun ist die ehemalige Herrin von Falkenberg, Frau Hildegard von Alvensleben wieder in ihre geliebte Heimat zu uns zurückgekehrt. In Eurem Gotteshause, das sie so sehr liebte, in dem sie sonntäglich 45 Jahre hindurch als eine treue Jüngerin ihres Herren unter der Kanzel saß, das letzte mal als Patronin dieser Kirche, ist sie nach ihrem Wunsche aufgebahrt: zum letzten Mal an dieser Stätte in unserer Mitte. Ihr Herz, das hier ihrem Gott und seiner Botschaft so heiß verlangend entgegenschlug, das dieses Stückchen Erde, Euer Falkenberg, und diese Gemeinde mit heißer Liebe umschlang bis in die letzte Sterbestunde hinein, es hat ausgeschlagen. Gott hat sie von ihrem Leiden erlöst. In den letzten Wochen des ausklingenden Kirchenjahres, 2 Tage vor dem 1. Advent, hat er sie heimgerufen in sein ewiges Reich, die Glocken des Advent läuten nun über ihrem Grabe.

Gott hat es wunderbar gefügt, dass er sie gerade in dieser Zeit heimgehen ließ. Ihre Seele war erfüllt von Adventssehnsucht und Adventsverlangen. Den wiederkommenden Herrn vor Augen hat sie sich das letzte Jahr ihres Lebens auf die Stunde bereitet, da Gott sie rufen würde. Allabendlich, wenn es im Hause still geworden war, griff sie zum letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, um das, was dort von der Zukunft des Herrn und dem jüngsten Tage geschaut und verkündigt ist, in schriftlichen Ausarbeitungen zu verarbeiten und sich tief in das Herz zu prägen. Ja, sie verlangte diesem Herren, seinem Kommen in der Herrlichkeit entgegen. Sie schrieb am 13.4.42: „Man sehnt sich vielleicht zu sehr danach, ohne genügend dafür an sich zu arbeiten. Ich weiß, dass man im Buche des Lebens stehen muß, um Anteil an dieser Herrlichkeit zu haben und dass es eine große Gnade Gottes ist.“ (Dem so adventlich bereiteten Herzen ist die Erfüllung geworden. Sie durfte eingehen zu ihres Herrn Freude.)

Wenn wir in dieser Stunde zu stillem Abschied hier versammelt sind, so soll diese Stunde über die tiefe Trauer hinweg, die unser aller Herzen erfüllt, eine Stunde des Dankes und Lobpreises Gottes sein, denn wir nehmen Abschied von einem Menschenleben, über dem die(se) Gnade Gottes geleuchtet hat und das seine Segensspuren unter uns allen, in deren Leben sie eintrat, zurückließ.

Das wisst Ihr zu allererst, die Ihr sie Eure geliebte Mutter und Großmutter nennt. Was sie Euch war und für alle Zukunft bedeutet, ist Euer heiligstes Geheimnis, das Euch mit ihr über das Grab hinaus verbindet. Das habt Ihr andren alle erfahren, die ihr mit ihr als Herrin des Falkenberger Gutshauses zu treuem Dienst verbunden waret, das wisst Ihr alle, ihr Falkenberger Familien, die Ihr sie als Eure Gutsfrau von Falkenberg in ihrer mütterlichen Fürsorge für Euch und Eure Häuser in 45 Jahren kennen und lieben lerntet, das weist über den Gutsbezirk hinaus, Du Falkenberger Gemeinde in deren Mitte sie als gläubige Christin lebte und Freud und Leid in Euren Häusern teilte, das wissen in besonderem auch die unter uns, denen sie persönlich in treuer Freundschaft verbunden war. Das darf ich in tiefer Bewegung in dieser Stunde als Pfarrer dieser Gemeinde und als Seelsorger der Entschlafenen im besondern bezeugen.

Nicht um Menschen zu rühmen sage ich das, sondern Gott zur Ehre! Und wenn wir mit unserem Schmerz zugleich ein Herz voll tiefsten Dankes hierher getragen haben, der uns der Heimgegangenen gegenüber zutiefst erfüllt, so steige dieser Dank weiter als ein Lob- und Dankopfer zu Gott empor, der sie uns gab und ihr das Herz hingenommen hatte, dass es reich war in Gott und solche Segensströme von ihr ausgehen durften.

Nur Menschen, die unter der Gnade Gottes stehen, vermögen Segen auszuströmen, und es ist Gottes Gnade und Freundlichkeit, wenn er uns solche Menschen in unsere Mitte hineinstellt. Das Geheimnis aber aller Segenskräfte ist der Glaube. Solcher Glaube war das Fundament des Lebens der teuren Entschlafenen, in dem sie mit ihrem verewigten Gatten tief verbunden war, zum Segen ihres ganzen Hauses und dieser Gemeinde. Davon habt Ihr alle etwas gespürt, und nach Haus geht Ihr von dem Grund, der einst durch den Geist der Gutsherrschaft hier gelegt wurde. Wir alle haben schmer zlichst empfunden, als im Moment kurz vor Kriegsausbruch die Gutsherrin selber schweren Herzens ihren Wohnsitz von hier fortverlegte. Ja, wir haben die Lücke alle gespürt, die ihr Fortgang in das Leben der Gemeinde riß. Wie mancher kam sich nun verlassen und verwaist vor – nicht zuletzt auch wir in unserm Gotteshaus, die wir mit ihr in der Gemeinschaft des Glaubens und Hörens fest verbunden waren. Aber noch schlug ihr Herz. „Meine Gedanken gehen so viel zu den so lieben Menschen in der Heimat,“ so klang es immer wieder in ihren Briefen und, ich darf es Dir heute sagen liebe Gemeinde, dass solches Gedenken an die Heimat immer mit gefalteten Händen geschah. “Ich aber bete“ so stand es auf einem Buche, das ich oft auf ihrem Schreibtische liegen sah, und wie sie selbst für sich um Fürbitte bat, so betete sie für die andern. Das war die Verbindung, nach der sie fern von uns, uns immer nahe war und uns in der Verbundenheit des Glaubens weiter diente. Sie wusste um die Macht des fürbittenden Gebets.

Und wiederum sage ich das nicht um Menschen zu rühmen, sondern um die Gnade zu verherrlichen, die ihr gegeben war. Sie betete weil sie glaubte. Nur der Glaube betet und ihr Leben war Gebet, denn ihr Leben war Glauben und dieser Glaube trug sie durch die Höhen und dunkelen Stunden des Lebens. Im Gebet holte sie sich die Kraft dazu, als im Jahre 1902 der Tod zum ersten mal in das Glück ihres Hauses einbrach und ihr ihr 5-jähriges Töchterchen Ehrengard entriß, als am 2. März 1932 Euer treuer Vater heimging, als am 10-jährigen Todestag des Großvaters der Enkel im Osten fiel und als letztes schweres Leid ihres Lebens, wie um die Summe des Leides voll zu machen, sie auch noch ihren jüngsten Sohn Joachim am 5. Juli hergeben musste im Kampfe für das Vaterland. Ja, Gott hat noch in diesem letzten Jahr auf ihren Lebensabend tiefstes Herzeleid aufgelegt.

Aber unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Der Glaube überwindet auch das tiefste Leid, indem er es aus Gottes Hand hinnimmt. „Gott hat etwas Besseres zuvor für ihn ersehen. Gott kann das Beste geben. Er allein weiß was das Beste ist.“ So beugte sie sich unter Gottes gewaltige Hand.

Laßt es uns in dieser Stunde in unsere Herzen fassen: Gott legt uns Schwerstes auf und fordert von Euch Eltern, Frauen und Kindern die größten und letzten Opfer. Niemals hat Gott durch den Tod gewaltiger zu uns geredet als in diesen Zeiten schwerster Trübsal. Angesichts solcher Not gibt es nur die eine Frage: Was trägt uns hindurch durch die Trübsal dieser Welt und rettet uns hindurch durch auch die letzte große Trübsal des Todes, und wer sind diese Welt- und Todesüberwinder. Apostel Johannes gibt uns die Antwort: Alles was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Wer aber ist der die Welt überwindet, wenn nicht, der da glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist. Vor diesem Glauben weicht alles Leid, er ist der Überwinder, er löst dies Rätsel und Schrecken des Todes.

Dieser Glaube war ihr Glaube, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist. Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn. So haben wir es zum Eingang gesungen. Das stand über ihrem Leben geschrieben, so ist sie heimgegangen. Indem sie Jesus Christus als ihren Herrn und Heiland bekannte, bekannte sie damit auch aus tiefstem Herzensgrunde, als seiner vergebenden und liebenden Gnade bedürftig zu sein. Sie wusste um das allzumal Sünder. So waren es zwei Bitten, die sie am Lebensabend erfüllten: daß, durch die, durch Christi Opfertod, mir geschenkte Gerechtigkeit mein Schuldschein am jüngsten Tage vernichtet werden darf und mir das hochzeitliche Kleid geschenkt werde, mit dem ich zum großen Abendmahl kommen darf, und um die Kraft viel größerer Liebe zu Gott Vater Sohn und Heiligem Geist, sodaß, wenn der Heiland einst an mich die Petrusfrage stellen sollte, ich, wenn auch in großer Schwachheit, aber doch freudigen Auges mit meinem Konfirmationsspruch bekennen kann:

Herr Du weißt alle Dinge, Du weißt auch, dass ich Dich lieb habe.

Liebe Gemeinde. Was wollen wir noch weiter sagen. Hier ist das Wort wahr geworden: Alles was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

Ja, die Heimgegangene hat im Glauben überwunden. Mit brennendem Herzen, in heiliger Adventserwartung, ist sie ihrem wiederkommenden Herrn durch des Todes Tor entgegen gegangen, ihn zu empfangen. Das ist Gnade, für diese Gnade lasst uns danken, um diese Gnade lasst uns auch für uns bitten, im Leben und im Sterben.

Sie darf schauen, was sie geglaubt hat. Gott schenke es auch uns. Amen.